Die Verhaltenstherapie ist eine Form der Psychotherapie, die im Vergleich zu anderen Verfahren die meiste wissenschaftlich bestätigte Evidenz aufzuweisen hat.
Die Beschwerden und Problemverhaltensweisen werden zunächst ausführlich in ihrer Entwicklung, ihren Symptomen und Lebenszusammenhängen erfasst („Verhaltensanalyse“) und
daraus ein „Störungsmodell“ erstellt. Dieses bildet die Grundlage für das „Behandlungsmodell“, in welchem therapeutische Schritte und Techniken geplant und mit dem Patienten besprochen werden.
Dabei geht es prinzipiell darum, psychische Störungen möglichst schnell wieder „in den Griff“ zu bekommen.
So wichtig und entlastend das Reden auch sein kann: Therapeutische Effekte „verpuffen“ oftmals,
wenn sie nicht in den Alltag übertragen und regelmäßig geübt werden (anders hätte keiner von uns das Lesen, Schreiben oder Schwimmen gelernt!).
Natürlich wird in der Behandlung auch viel gesprochen, aber:
Zum Einüben eines „neuen“ oder Verlernen eines „alten“ Verhaltens gibt es „therapeutische Hausaufgaben“ ! Das Üben zwischen den Therapiesitzungen entscheidet wesentlich über das Tempo des Behandlungserfolges.
Am besten läßt sich die Verhaltenstherapie zusammenfassen mit dem Motto
"Reden ist Silber, Üben ist Gold" .
Grundlage der klassischen
(behavioralen) Verhaltenstherapie ist die „Lerntheorie“ und der Fokus auf das "beobachtbare"
Verhalten.
Auch wenn wir wissen, dass in unserem Leben "biologische" Grundlagen (wie Temperament, "Handicaps") und soziale Bedingungen eine wichtige Rolle spielen, so wurde dennoch ein Großteil unseres Verhaltens durch bestimmte ("konditionierte") Erfahrungen, Reaktionen unserer sozialen Umwelt - insbesondere der Erziehung - sowie anschließender Gewohnheiten erlernt.
Einmal Erlerntes ist jedoch auch wieder „verlernbar“ oder „umlernbar“.
Dies klingt natürlich erstmal leichter als es ist und braucht oft auch Zeit:
Aus Ihrem Alltag wissen Sie, dass manche Gewohnheiten leicht zu verändern sind, vor allem wenn sie eigentlich nur Nachteile haben und noch nicht lange bestehen.
Andere Verhaltensmuster sind hingegen recht "zäh" und schwerer zu verändern, insbesondere wenn sie lange "eingeübt" sind und sich in irgendeiner Form kurzfristige "Vorteile" (zum Beispiel die Vermeidung zunächst unangenehmer Situationen) daraus entwickelt haben.
Im Falle psychischer Störungen ist es zum Beispiel nicht realistisch, dass eine monatelang andauernde Essstörung in wenigen Tagen und Wochen verschwindet.
Störende Krankheitssymptome bedeuten nicht nur Leiden, sondern sind typischerweise auch Ausdruck einer „Sackgasse“ in der aktuellen Lebenssituation.
Auch hierbei ist ein Lernprozess im Sinne der Akzeptanz oder Veränderung der Lebenssituation nötig.
Die klassische Verhaltenstherapie stellt eine große Sammlung von geeigneten Strategien und Techniken zur Bewältigung psychischer Probleme zur Verfügung.
Die Kognitive Verhaltenstherapie stammt aus den 1970er Jahren und basiert auf den Forschungen zum Einfluss von Gedanken und Gefühlen auf unser Verhalten. Eine Kernbotschaft lautet:
"Gedanken steuern unsere Gefühle und unser Verhalten"
Epiktet, ein antiker Philosoph formulierte es so:
„Es sind nicht die Dinge an sich, die uns beunruhigen, sondern unsere Sicht der Dinge."
Jeder kennt ähnliche Erfahrungen: Wenn ich zum Beispiel eine Prüfungssituation als bedrohlich bewerte („das schaffe ich nicht !“ „Das wird bestimmt peinlich !“) reagiert mein Körper auf vielfältige Weise aktiv (Herzklopfen, Schwitzen, Zittern usw.) und es entsteht das Gefühl der „Angst“, welches wiederum so stark sein kann, dass ich die bevorstehende Situation (in dem Beispiel die Prüfung) vermeide.
Dies führt kurzfristig zum Nachlassen der Angst und zur Erleichterung. Allerdings wird es dann beim nächsten Anlauf umso schwieriger sein, sich der Situation zu stellen.
Gelingt es mir andererseits – zum Beispiel aufgrund meiner erfolgreichen Vorerfahrung – die Prüfung als bewältigbar oder als Herausforderung zu bewerten führt dies zu einer deutlich reduzierten Körperreaktion und zu einem geringeren Angsterleben.
Da der Ausgangspunkt in dem Beispiel sogenannte „automatische „Gedanken“ sind, die mehr oder weniger bewusst Körperreaktion und Verhalten „steuern“, werden durch spezielle Techniken der "kognitiven Umstrukturierung" diese Gedanken im Gespräch mit dem Therapeuten (dem „Diskurs“) in Frage gestellt und mittels spezieller Techniken genau überprüft, inwieweit es überzeugendere, alternative gedankliche Bewertungen gibt, die hilfreicher in Bezug auf das Bewältigungsziel sind.
Hierzu muß - wie beim "beobachtbaren" Verhalten auch (siehe oben) - zunächst einmal die „Lerngeschichte“ dieser automatischen Gedanken verstanden werden.
„Automatische Gedanken“ sind Folgen früh - aus Kindheitstagen - gelernter Annahmen über sich und seine Umwelt.
Häufige früh gelernte, problematische „Grundannahmen“ sind zum Beispiel „ich darf keinen Fehler machen“ oder „ich muss immer anerkannt werden“.
Im Behandlungsverlauf gilt es daher auch, diese „Grundannahmen“ zu überprüfen und in Hinblick auf aktuelle Erfahrungen
zu "korrigieren".
Ganz wichtig: Die kognitive Verhaltenstherapie ist nicht zu verwechseln mit dem populären „positiven Denken“: Letzteres mag vielen im Alltag hilfreich sein, ist aber keine sinnvolle therapeutische Technik bei psychischen Störungen und kann sogar problematisch werden:
Stellen Sie sich vor, Sie leiden unter einer gedrückten Stimmung, weil gerade "alles schief" geht in Ihrem Leben und jemand ruft Ihnen zu "nimms doch nicht so schwer !" . Oder: es ist Ihnen peinlich, weil Sie Angst vor Mäusen haben und ein Freund meint „du brauchst keine Angst zu haben !“
Bei diesen gut gemeinten "positiven Ratschläge/Gedanken" fühlt man sich oft noch zusätzlich zu seinem Leid
unverstanden, vor allem aber sind sie deshalb nicht hilfreich, weil sie eben nicht überprüft und daher überzeugend sind.
Ergänzt werden die klassischen („behavioralen“) und kognitiven verhaltenstherapeutischen Techniken durch neuere Ansätze der sogenannten „dritten Welle“ der Verhaltenstherapie aus den 1990er Jahren.
Zur Bewältigung persönlicher Krisen und Konflikte mit anderen wurden etwa Methoden der "Emotionsregulation", der "Achtsamkeit", der "Akzeptanz" und zum Umgang mit "Metakognitionen" entwickelt.
Emotionsregulationstechniken helfen insbesondere in Situationen, in denen negative Gefühle „überhand “ nehmen. Dies kann nicht nur die persönliche Stimmung maßgeblich beeinflussen und zum Beispiel depressive Krisen verschärfen, sondern auch den Kontakt zu anderen Personen wesentlich beeinträchtigen.
Eingeübt werden Strategien, wie man im Alltag zum Beispiel Gefühle von übermäßiger Wut und Traurigkeit kontrollieren kann, um weiterhin handlungsfähig zu bleiben, dabei seine Ziele im Kontakt mit seinen Mitmenschen nicht aus den Augen verliert und eine stabile, positive Stimmung einleiten kann.
Achtsamkeitstechniken sind besonders hilfreich für den Umgang mit "Stressituationen" im Alltag. Wenn
man sich zum Beispiel mit mehreren Aufgaben gleichzeitig oder andauernd mit Gedanken an die Vergangenheit oder Zukunft
beschäftigt, werden aktuelle Bedürfnisse und Störungen nicht genügend wahrgenommen, was dann zu „unerklärbaren“ körperlichen und psychischen Beschwerden führen kann.
Mittels „Achtsamkeitstechniken“ wird ein bewussterer Umgang im „Hier und Jetzt“ eingeübt, so dass eine größere Distanz zu störenden/belastenden Gedanken hergestellt werden kann.
Dies ermöglicht, besser aktuelle Bedürfnisse wahrzunehmen und sich auf wesentliche Dinge konzentrieren zu
können.
Akzeptanztechniken erleichtern den Umgang mit sehr belastenden Erfahrungen und helfen dabei, unvermeidbare, wenig beeinflussbare negative Erfahrungen letztlich anzunehmen, statt gegen sie anzukämpfen, was sonst zum Verlust der Lebensfreude und zu einer psychischen Beeinträchtigung führen kann.
Auch „Metakognitive Techniken“ zählen zu den neueren Entwicklungen:
Das Ziel dieses Verfahrens ist nicht, die Inhalte von Negativgedanken zu überprüfen (wie bei der oben dargestellten „Kognitiven Verhaltenstherapie“), sondern den Umgang damit zu beeinflussen. So geht es beispielsweise nicht darum, welche Grübelgedanken oder Sorgen die Stimmung negativ beeinflussen, sondern das Grübeln und Sorgenmachen zu reduzieren.